Ein seltener Gast - Apistogramma urteagai von Roland Kipper
Ein seltener Gast - Apistogramma urteagai von Roland Kipper
Apistogramma urteagai (KULLANDER, 1986) gehört sicherlich zu den Zwergbuntbarsch-Arten, die in unseren Aquarien nur recht selten anzutreffen sind. Dies liegt in erster Linie wohl daran, dass diese Tiere nicht gerade den Ruf haben, als farbliche Bereicherung eines Aquariums zu gelten. Betrachtet man Bilder von A. urteagai in der Literatur, ist das auch nachvollziehbar, doch der schlechte Ruf dieser Art ist, wie ich finde, nicht ganz gerechtfertigt. Zum einen sind sie als polychromatische Art potenziell etwas farbiger als die gängige Literatur es vermuten lässt und zum anderen handelt es sich um durchaus interessante Pfleglinge, die durch ihre Genügsamkeit insbesondere auch für Einsteiger gut geeignet sind. Vor etwa zwei Jahren hatte ich die Möglichkeit, Wildfangnachzuchten von Alf Stalsberg aus Norwegen zu bekommen. Diesem sei an dieser Stelle dafür noch einmal herzlich gedankt.
A. urteagai ist mit seinem klar abgesetzten Schwanzwurzelfleck, den nicht verlängerten Dorsalmembranen, der runden Caudale und der hochrückigen Körperform zweifellos ein typischer Vertreter der A. regani-Gruppe. Eine genaue verwandtschaftliche Einordnung innerhalb dieser Gruppe ist aber noch unklar. Koslowski (2002) stellte die Art zusammen mit A. acrensis (STAECK, 2003) in einen eigenen Komplex, was er jedoch 2005 aufgrund deutlicher Unterschiede zu dieser Art wieder revidierte. Kullander (1986) verweist in der Erstbeschreibung auf Ähnlichkeiten zu A. linkei und A. resticulosa. Aber auch mit Vertretern des A. caetei-Komplexes gibt es Gemeinsamkeiten, wie z.B. das typische "abknickende" Längsband. Arttypisch sind auch die kräftigen, unregelmäßigen Unterkörperbänder, die aber nur in bestimmten Stimmungslagen gezeigt werden.
Apistogramma urteagai stammen aus dem Bundesstaat Madre de Dios im südöstlichen Peru und wurden bisher nur in den Einzugsgebieten des Rio Madre de Dios und des Rio Tambopata in der Region um Puerto Maldonado gefangen. Über weitere Verbreitungsgebiete ist bislang nichts bekannt. Die Typuslokalität ist der Lago Túpac Amaru aus dem Rio Madre de Dios-Einzug. Die einzelnen Fundorte wiesen sehr unterschiedliche Begebenheiten auf. Die Art wurde sowohl auf pflanzenlosen Gesteinsböden als auch in dichter Vegetation oder in schlammigen Uferabschnitten nachgewiesen. Leider ist mir der genaue Fundort meiner Tiere nicht bekannt, um Rückschlüsse auf unterschiedliche Populationen zu ziehen.
Für die Haltung ist es aber unbedingt empfehlenswert, für ausreichend Deckung und Unterstände zu sorgen, denn sie gehören nicht zu den schwimmfreudigen Apistogrammas, die sich ohne Scheu im freien Wasser bewegen. Meistens stehen sie eher ruhig unterhalb einer Wurzel und beobachten von dort das Geschehen in der Umgebung.
Bezüglich der Färbung der Tiere ist zu bemerken, dass A. urteagai - wie viele andere Vertreter der Gattung - polychromatisch sind. So zeigen meine Tiere überwiegend eine mehr oder minder stark ausgeprägte, blau-rote Wangenzeichnung, die aber auch gelb sein oder ganz fehlen kann. Die Schwanzflosse weist ein Muster aus rötlichen Längsstreifen und im hinteren Bereich zusätzlichen Querstreifen auf. Die Färbung der Caudale ist transparent bis orange. Bei meinen Tieren nahm diese Orangefärbung mit dem Alter zu, während die bei jüngeren Tieren vorhandenen, blau glänzenden Schuppen auf dem Körper mit dem Alter verschwanden. Es ist aber anzunehmen, dass bezüglich der Attraktivität dieser Tiere durch Zuchtauslese noch Potenzial vorhanden ist, auch wenn sie sicherlich nie die Farbintensität einiger beliebter Arten wie dem Kakadu-Zwergbuntbarsch oder A. macmasteri erreichen werden.
Die Haltung und Zucht von A. urteagai ist recht unproblematisch. Sie sind robust, außergewöhnlich wenig aggressiv untereinander und können sogar in recht kleinen Aquarien erfolgreich gehalten und vermehrt werden. Die Wasserwerte spielen dabei keine allzu große Rolle, sie lassen sich problemlos auch in mittelhartem Leitungswasser züchten. Der pH-Wert sollte aber für diese Klar- und Weißwasserbewohner optimalerweise nicht zu sauer sein, denn die Habitate weisen Werte zwischen 6,0 und 7,5 auf.
Bemerkenswert ist jedoch der Temperaturbereich, den diese Art in ihrer natürlichen Umgebung vorfindet. Durch die relativ weit südlich gelegene Herkunft wurden in den Wintermonaten Wassertemperaturen bis zu etwa 15°C gemessen. Die Obergrenze der gemessenen Temperaturen lag bei etwa 26°C. Im Aquarium sind daher Temperaturen unter 26°C ratsam, obwohl meine Tiere auch bei 27-28°C noch keinerlei Anzeichen von Unwohlsein zeigten und problemlos brüteten. Allerdings waren dann unter den Nachkommen fast ausschließlich Männchen zu finden.
Eine Besonderheit, die ich bei meinen Tieren feststellen konnte, war ein ungewöhnlich stark ausgeprägter Brutpflegetrieb des Männchens. Dies ist sicher nicht repräsentativ für die gesamte Art und im Normalfall geht die Brutpflege auch wie bei allen anderen Apistogramma-Arten vonstatten. Aber gerade bei diesen innerartlich sehr friedlichen Vertretern der A. regani-Gruppe kommt dieses Phänomen nach meinen Erfahrungen recht häufig vor, wenn man sie paarweise ohne Feindfische in kleineren Becken pflegt. Üblicherweise beteiligt sich das Männchen in solchen Fällen aber nur an der Brutpflege und übernimmt zeitweise die Führung eines Teils der Jungfische. Bei meinen Fischen hingegen ist die Brutpflege fast jedesmal schon nach wenigen Tagen alleinige Sache des Männchens. Er vertreibt das Weibchen regelrecht und übernimmt deren Jungen, die er dann aber sehr fürsorglich und gewissenhaft pflegt. Das Weibchen verliert daraufhin sogar ihre Brutpflegefärbung und gibt die Jungen vollständig auf. Im Normalfall sind die Weibchen aber recht gute Brutpfleger. In einem 80cm-Aufzuchtbecken mit halbwüchsigen Tieren schaffte es ein Pärchen unter ca. 15 weiteren, halbwüchsigen Männchen ihre Jungfische fast zwei Wochen lang tapfer zu verteidigen. Letztendlich sind aber keine Jungen übrig geblieben.
Über das Verhalten in Gesellschaftsaquarien gegenüber anderen Fischen kann ich leider keine Aussagen machen, da ich mein Paar ausschließlich im Artbecken ohne Beifische gepflegt habe. Einerseits sind die Tiere robust, aber andererseits auch etwas scheu und zurückhaltend. Bleibt also die Frage, ob sie diese Scheu unter anderen Mitbewohnern verlieren, oder ob sie unterdrückt werden. Angesichts der oben geschilderten Erfahrungen in Gesellschaft von Artgenossen, könnte ich mir jedoch vorstellen, dass sie sich auch in Gesellschaftsbecken gegenüber anderen behaupten können und eher die Scheu abbauen. Dies ist aber natürlich auch individuell geprägt und nicht so ohne weiteres auf die gesamte Art zu verallgemeinern und hängt selbstverständlich auch von der Art der Gesellschaft ab.
Alles in allem sind diese "grauen Mäuse" auf jeden Fall problemlose Pfleglinge, die sicherlich eine gute Alternative für Einsteiger darstellen, die nur begrenzte Möglichkeiten zur Wasseraufbereitung haben. Vor allem aber erweitern sie die Liste der Arten, die auch kühlere Temperaturen vertragen. Meist bekommt man als Empfehlung hinsichtlich Zwergbuntbarschen für kühlere Aquarien nur A. borellii geboten. A. urteagai wäre also für alle, die weniger Wert auf Farbigkeit legen, eine gute weitere Auswahlmöglichkeit. Dennoch ist zu befürchten, dass auch diese Art wegen ihrer mangelnden Attraktivität recht schnell wieder aus der Aquaristik verschwinden wird. Ich kann nur hoffen, dass sie trotzdem noch eine Weile in Liebhaberkreisen überdauern kann und uns längerfristig erhalten bleibt.
Literatur:
- Ingo Koslowski [2002]: "Die Buntbarsche Amerikas - Band 2: Apistogramma & Co".; 1. Aufl.
- Datz Sonderheft "Zwergcichliden" [2005]
- Horst Linke, Wolfgang Staeck [1997]: "Amerikanische Cichliden I - Kleine Buntbarsche"; 6. Aufl.
Wir bedanken uns recht herzlich bei Roland Kipper für den Zuchtbericht von Apistogramma urteagai.