Zucht von Apistogramma gibbiceps von Burkhard Schmidt
Zucht von Apistogramma gibbiceps von Burkhard Schmidt
Dass man vor Überraschungen nicht sicher ist, erlebt man immer wieder, auch wenn man sich ständig mit Zwergecichliden und deren Umfeld beschäftigt. So konnte ich im Frühjahr dieses Jahres in einem Zoogeschäft in der Nähe von Münster Wildfänge von Apistogramma sp. „Brazil", die ich auf den ersten Blick als Apistogramma gibbiceps erkannte, zum sagenharten Preis von 1,95 Euro das Stück erwerben. Nachdem ich mich von meiner Überraschung erholt hatte, wechselten zehn zwischen einem und zwei Zentimeter lange Zwerge den Besitzer. Nach Angaben des Zoofachverkäufers waren die Wildfänge schon vier Wochen eingewöhnt, fraßen ausschließlich Trockenfutter und schienen sich bei einem Leitwert um die 600 uS/cm und pH-Werten um 7 in dem 200-Liter-Verkaufsbecken wohl zu fühlen.
Diese von Meinken 1969 beschriebene Art hat ihre Verbreitungsgebiete in den Flusssystemen des Rio Branco und des mittleren Rio Negro (Linke & Staeck 2001). Die Population, die 1980 von Kullander im Rio Branco nachgewiesen und irrtümlich von ihm als Apistogramma roraimae beschrieben wurde, gilt als Synonym. Artspezifische Merkmale dieser Art sind ein breites Längsband, das erst in der Schwanzflosse endet. Je nach Stimmung können auf den Bauchseiten unterhalb des Längsbandes schräg nach hinten verlaufende Unterbauchstriche, Flecken oder Bänder verlaufen.
Bei adulten Männchen sind die ersten Hartstrahlen der Rückenflosse etwas verlängert. Ferner besitzen schon subadulte Männchen eine leicht doppelzipflige Schwanzflosse. Die zweizipflige Caudale ist bei ausgewachsenen Tieren stark ausgeprägt. Weibchen können je nach Stimmung unterschiedliche Färbungen aufweisen. Sie zeigen im Allgemeinen einen Seitenfleck, haben manchmal aber auch zwei Seitenflecken oder gar keine derartige Zeichnung. Auch die Ausbildung der Unterkörperstreifen, des Wangenstreifens sowie der Seitenlinie ist stimmungsabhängig und daher sehr variabel.
Die anfänglich runde Schwanzflosse wird mit zunehmendem Alter gestutzt. Die Männchen erreichten eine Gesamtlänge von knapp sieben bis acht, Weibchen etwa fünf Zentimeter. Sie zählen also nicht zu den besonders großen Vertretern der Gattung.
Nach Angaben von Römer (1998) stellt Apistogramma gibbiceps höchste Ansprüche an die Wasserqualität. Das Wasser sollte möglichst weich und leicht sauer sein. Alkalische Wasserwerte, so Römer, vertragen die Fische nur kurzfristig. Auch Staeck (2003) gibt als Bedingung für eine erfolgreiche Vermehrung nur weiches, saures Wasser mit einem Leitwert um 10 ms und pH-Werten um 5,5 an. Alles in allem Parameter, die weit von den Werten entfernt waren, die ich meinen Fischen zunächst anbieten konnte.
Sie wanderten erst einmal in ein Fotobecken mit den Maßen 80 x 40 x 40 Zentimeter. Dort sollten sie einfach erst mal etwas wachsen, denn ich wollte sie beobachten und bei Bedarf ablichten. Die Einrichtung war natürlich auf Zwergbuntbarsche abgestimmt. Feiner Sand als Bodengrund (der übrigens gern von meinen neu eingesetzten Fischen durchgekaut wurde) und eine dichte Bepflanzung aus Anubias und Famen sowie einigen Cryptocorynen. Ferner wurden Moorkienwurzeln und Kokosnusshöhlen als weitere Versteckmöglichkeiten und Reviergrenzen in das Becken eingebracht. Zusätzlich gaben reichlich Buchen- oder Eichenblätter den Fischen die nötige Sicherheit. Das Wasser hatte einen Leitwert um 350 ms, einen pH-Wert von 7,2 bis 7,5 und eine Temperatur von 25° C. Alle 14 Tage wurde etwa ein Viertel bis ein Drittel des Aquariumwassers ausgewechselt.
Im Verlauf der nächsten Wochen fütterte ich abwechslungsreich frisch geschlüpfte Artemia, die in kleinen Mengen mit Algen, Vitaminen oder Hefe angereichert wurden, und verschiedenen Frostfuttersorten wie Artemia, Cyclops, Mysis, zerkleinertem Krill und lebende weiße Mückenlarven. Ich staunte nicht schlecht über das schnelle Wachstum der Fische. Auch die Färbung der Weibchen, insbesondere ihre schwarzen Zeichnungen, veränderte sich je nach Stimmung. Besonders erfreute mich, dass sich ein Weibchen in einer Höhle verschanzt hatte und den Sandinhalt durch das Einschlupfloch nach draußen spuckte. Wollte sie etwa ablaichen? Bei meinen Wasserwerten war jedoch an eine erfolgreiche Nachzucht nicht zu denken.
Aber welche Überraschung: Es klappte - doch im Gegensatz zu den Angaben in der Literatur! Ich hatte die Höhle so an die Scheibe geschoben, dass ich einen Blick in das Innere werfen konnte. Das Weibchen hatte gut fünfzig Eier an die Decke geklebt. Es hat dann nach typischer Apistogramma-Art zunächst das Gelege und später einen kleinen Jungfischschwarm gepflegt. Da sich in dem Becken auch noch einige L-46-Welse und Salmler aufhielten, war es aber nur eine Frage der Zeit, wann der Jungfischschwarm stark abnehmen würde. Immerhin verteidigte die Mutter auch am Ende der Brutpflegeperiode noch vier Junge, die aber dann mit einer Länge von einem Zentimeter schon zu groß waren, um von den anderen Fischen gefressen zu werden.